Suche nach besonderen Spielorten

Interview mit Dr. Susanne Schulte über Ziele und Perspektiven der "mommenta münsterland"

04.04.2016

Dr. Susanne Schulte
Dr. Susanne Schulte (Geschäftsführerin der GWK-Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit)

Westmünsterland. Es sind Konzerte der Extraklasse, die die Veranstaltungsreihe „mommenta Münsterland“ prägen. Um musikalische Highlights handelt es sich vor allem aufgrund der ausgezeichneten Qualität der Künstler, die das Publikum begeistern. Ein wesentliches Merkmal der „mommenta“ aber sind auch die ungewöhnlichen Orte, an denen die Musik zu hören ist. Fabrik- und Lagerhallen, Konferenzsäle, Kirchen und Küchenräume wurden beispielsweise in den vergangenen 13 Jahren – und damit solange es die „mommenta“ gibt – vorübergehend in Konzertsäle umgewandelt. Die Konzertreihe, finanziell gefördert von der VR-Bank Westmünsterland, gehört inzwischen zum festen musikalischen Repertoire der Region. Jedes Jahr suchen die Veranstalter aufs Neue Stätten, an denen die Musikveranstaltungen einen Platz finden könnten. Die Organisation liegt in Händen der GWK-Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit. Im Interview spricht deren Geschäftsführerin Dr. Susanne Schulte über Merkmale, Ziele und Perspektiven der „mommenta“.

Das Spezielle an der Reihe ist ja, sie findet an Plätzen statt, die man sonst nie betreten könnte.

Schulte: Das ist die Idee: Man geht zu einem erstklassigen Konzert an einen Ort, der normalerweise Produktionsstätte oder Werkstatt oder Lager etc. ist und Betriebsangehörigen vorbehalten ist. Wir locken über die Orte, aber auch damit, dass die Musik voll zu diesen Orten passt. Das ist manchmal eine Herausforderung, doch ich glaube, es ist uns bisher immer gelungen, eine atmosphärisch dichte Location zu finden und die dazu passende und vor allem akustisch passende Musik. Da wir wegen der Versammlungsstätten-Verordnung nur bis 199 Zuschauer zulassen dürfen, ist man auf allen Plätzen ganz nah dran.

Was hat Ihnen denn am meisten Spaß gemacht?
Schulte: Ich kann gar nicht sagen, dass ich einen Favoriten unter den Konzerten des letzten Jahres hätte. Jedes ist ja, schon durch den Spielort, das Unternehmen, anders und jedes hat tatsächlich seinen ganz eigenen Charme. Das ist wie mit der Mutter mit ihren vielen Kindern: sie liebt jedes nach seiner Art. Es macht mir immer große Freude, für einen potenziellen Spielort die Musik auszuwählen. Ist ein Ort gut für ein Konzert, „schwingt“ er also, schwinge
ich mich ein und höre im inneren Ohr Ensembles, die dort auftreten könnten.

mommenta münsterland
Einst Militärkasino der Freiherr-vom-Stein-Kaserne, heute Eismanufaktur und für einen Tag Konzertsaal: Dort servierten der Geiger Yury Revich, der Cellist Konstantin Manaev und der Pianist und Komponist Leon Gurvitch feinste Jazzmusik.

Für die Leute, die Ihnen die Räume stellen, ist das nicht immer einfach.
Schulte: Ich bin unseren Gastgebern sehr dankbar, dass sie so wunderbar mit uns kooperieren. Wir waren im vergangenen Jahr in zwei großen Betrieben zu Gast, die ihre Produktion sogar für ein paar Stunden stillgelegt haben. Damit der Betrieb, egal ob groß oder klein, nur minimal unterbrochen wird, müssen natürlich Anreise, Aufbau und Abbau bis ins Detail geplant und koordiniert werden.

Warum beteiligen sich die Unternehmen?
Schulte: Die Unternehmer tun das für den Ort, an dem sie ansässig sind. Kaum ein Betrieb gewinnt durch unsere Konzerte ja unmittelbar neue Kunden. Es ist bürgerschaftliches  Engagement des Unternehmens; man engagiert sich für den Standort, die Heimat. Außerdem werden durch die „mommenta“ die jungen Musikerinnen und Musiker, die wir für die Konzerte verpflichten, gefördert. Und es kommen – nachweislich – auch Menschen, die normalerweise nicht in solche Konzerte gehen, zur „mommenta“. Jeder ist willkommen, das ist die Botschaft dieser außergewöhnlichen Veranstaltungsorte. Die Schwelle ist einfach niedrig, dafür die musikalische Qualität sehr hoch. Und es kommen Gäste jeden Alters.

mommenta münsterland 2016
Die Dülmener Kirche Maria Königin war der geeignete Ort im vergangenen Jahr für das Duo Aliada mit Michal Knot und Bogdan Laketic.

Ist es nicht langsam schwierig, geeignete Spielorte zu finden?
Schulte: Das ist nie ganz einfach, weil das auch für die Gastgeber ein erheblicher Zusatzaufwand ist. Manchmal kriegt einer, nachdem er ja gesagt hat, kalte Füße. Aber hinterher war er dann froh, dabei geblieben zu sein. Im vergangenen Jahr hatten wir das Gefühl, wir rennen offene Türen ein. Die Zusammenarbeit war klasse.

Das Konzert wird heute immer mehr zum Event. Sowohl was die Location angeht, aber auch teilweise durch die Show der Künstler. Ist das ein Trend?
Schulte: Manchmal gibt es Konzertprogramme, die Showmomente beinhalten. Bei den Ensembles mit Bühnenshow, die ich aussuche, stimmt die musikalische Substanz. Das ist das oberste Kriterium für meine Auswahl. Die Show kommt als Sahnehäubchen oder Add-on obendrauf.

Woher kommen ihre Musiker?
Schulte: Die GWK ist eine regionale Fördergesellschaft. Wir fördern herausragende junge Künstlerinnen und Künstler aus Westfalen, u.a. durch jährliche GWK-Förderpreise. In der „mommenta“ treten unsere Förderpreisträger auf, im letzten Jahr etwa der Pianist Jun-Ho Yeo, der in Münster geboren und aufgewachsen und nach dem Abi letztes Jahr zum Studium nach Wien gegangen ist. Weitere Beispiele sind der Cellist Konstantin Manaev und der Akkordeonist Maciej Frackiewicz, die in Münster beziehungsweise Detmold studiert haben. Neben unseren jungen Preisträgern treten aber auch faszinierende junge Musiker aus ganz Deutschland oder dem Ausland auf, die von der GWK nicht ausgezeichnet wurden, doch genau zu der „mommenta“-Location passen. Wie gesagt: zuerst steht der Ort, dann kommt die Entscheidung für ein Ensemble, das ihn bespielt. Und es muss beides eben optimal zueinander passen.

mommenta münsterland 2016
Im Unternehmen Konrad Pumpe, Hersteller technischer Anlagen für die Landwirtschaft, war ein ganz besonderer Sound zu hören, nämlich der vom Saxophonquintett Five Sax.

Manche Kulturpessimisten behaupten, es sei aus mit der klassischen Musik. Sehen Sie das auch so?
Schulte: Nein, ich bin ganz und gar nicht pessimistisch. Im Gegenteil: Ich glaube, die „mommenta“ ist ein Format, das sowohl diejenigen anspricht, die in ein normales klassisches Konzert gehen, weil sie bei uns musikalische Topqualität bekommen, wie auch solche, die – über den Spielort neugierig geworden – sich auf ein Abenteuer mit einem klassischen Konzert einlassen, obwohl sie sonst nicht in ein solches Konzert gehen würden. Beide Gruppen eint, dass sie etwas Außergewöhnliches erleben wollen, etwas, das sie aus ihrem Alltag hinausträgt. Und wenn es auch noch ein neuer und im Wortsinn einmaliger Konzertort ist, ist das umso spannender.

Wie geht es weiter?
Schulte: Mit der 14. „mommenta“ in diesem Jahr! Wir wollen wieder hochkarätige Konzerte an außergewöhnlichen Orten präsentieren. Ich habe gute Signale von den Sponsoren, und einige Unternehmen haben auch schon ihr Interesse bekundet, Gastgeber zu sein. Ich hätte aber auch nichts dagegen, wenn sich noch das ein oder andere Unternehmen, das meint, ein attraktiver Spielort sein zu können, meldet.

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