Zeit nehmen für Nachfolge

Mittelstandsexperte Carsten Menzel zu den Herausforderungen der Übergabe von Unternehmen

10.04.2019

Carsten Menzel, Bereichsdirektor Firmenkunden bei der VR-Bank Westmünsterland
Carsten Menzel

Wer sein Unternehmen weitergeben möchte, sollte den geeigneten Partner gründlich auswählen. Bei der Übergabe eines Unternehmens gibt es für Abgeber und Übernehmer viele Hürden. In Familienunternehmen kommt die emotionale Komponente hinzu. Spezialisten für Unternehmensübergabe und -nachfolge können mit ihrer Expertise dabei helfen, die Unternehmensnachfolge zu einem Erfolg für alle Seiten werden zu lassen.

Im Gespräch: Carsten Menzel, Bereichsdirektor Firmenkunden bei der VR-Bank Westmünsterland. Er berät Unternehmen rund um die Unternehmensübergabe und -nachfolge und weiß, worauf es ankommt.

Herr Menzel, in welchen Branchen suchen Unternehmer im Westmünsterland einen Nachfolger?
Im Prinzip in allen. Die Suche nach einem Nachfolger ist in allen Branchen ein wichtiges Thema. Egal, ob es sich um einen Kiosk, einen Handwerksbetrieb oder ein international ausgerichtetes Industrieunternehmen handelt. In unserer Region spielt auch die Übergabe von Höfen eine wichtige Rolle. Dabei besteht immer wieder die Frage, ob Höfe groß genug sind, um auch in Zukunft die Existenz zu sichern.

Wie sieht es mit dem Handwerk aus?
Eine gut geplante Nachfolge findet sich tendenziell seltener im Handwerk als im gesamten Mittelstand. Erst jeder fünfte Handwerksbetrieb hat die notwendigen Verhandlungen bereits abgeschlossen, zeigt eine Studie der KfW. Zum Vergleich: im gesamten Mittelstand ist es jeder Dritte. Weitere 25 Prozent der Handwerksunternehmer sind laut Studie derzeit in Verhandlungen für die Nachfolge. Das heißt im Umkehrschluss, dass rund die Hälfte der Betriebe im Handwerk von einer soliden Nachfolgeregelung weit entfernt ist.

Wird die Suche nach einem Nachfolger tatsächlich schwieriger?
Ohne Wenn und Aber: ja. Im Regierungsbezirk Münster sind rund 31.000 der 95.000 Unternehmer älter als 55 Jahre. Das zeigt die Brisanz des Themas. Gingen 2018 bereits 16 Prozent aller klein- und mittelständischen Unternehmen davon aus, dass ihr Unternehmen mit dem Ruhestand des Chefs oder der Chefin geschlossen wird, waren es 2017 nur 14 Prozent. Das ist für uns ein klarer Beleg, dass Unternehmer immer häufiger Probleme haben, einen geeigneten Nachfolger zu finden.

Wie erklären Sie, dass sich die Suche nach einem Nachfolger immer schwieriger gestaltet?
Eine Mehrheit der Unternehmer hat bislang eine familieninterne Nachfolgelösung bevorzugt. Klassischerweise war es der Sohn, der den Betrieb übernimmt. Das hat sich geändert, wie wir immer wieder beobachten können. Das ist eine direkte Folge des demografischen Wandels. Auf der einen Seite haben Unternehmer weniger Kinder. Auf der anderen Seite haben sie bei ihren Eltern erlebt, wie ein Betrieb das eigene Leben dominieren kann. Viele suchen da nach einer für sie besseren Work-Life-Balance.  

Was ist die Alternative, wenn es keinen Nachfolger in der eigenen Familie gibt?
Der Verkauf des Unternehmens ist mittlerweile für viele denkbar. Als Käufer kommen andere Unternehmen, Mitgesellschafter aber auch Existenzgründer zum Beispiel aus der Reihe bisheriger Mitarbeiter in Frage.

Wenn als Alternative der Verkauf als einzige Lösung bleibt, wie sind die Aussichten?
Das ist das Gute an der gegenwärtigen Situation: es gibt viele Interessenten – und jede Menge Kapital ist vorhanden. In der Niedrigzinsphase suchen viele Investoren nach attraktiven Investments und da rücken gerade auch Unternehmen in den Fokus. Interessant ist der Verkauf an einen strategischen Investor, also an Unternehmen, die den Betrieb fortführen und in der Region halten wollen. Grundsätzlich ist die Suche für große Unternehmer, zum Beispiel einen Maschinenbauer, leichter als für einen Kleinbetrieb.

Was zeichnet eine gelungene Nachfolgesuche aus?
Die geordnete Übergabe benötigt einen guten Plan, für den sich Unternehmer mehrere Jahre Zeit nehmen sollten. Jeder Unternehmer sollte sich permanent mit diesem Thema auseinandersetzen, um auch im Krankheitsfall eine Lösung zu haben. Dabei ist es elementar, die eigenen Motive und Ziele zu kennen. Da gibt es zum Beispiel einen Unternehmer, dessen Betrieb die Kinder nicht fortführen möchten. Für ihn ist es aber eminent wichtig, dass sein Betrieb unter seinem Namen weiter existiert. In diesem Fall steht im Vordergrund, das Lebenswerk zu erhalten und weniger den höchst möglichen Kaufpreis zu erzielen. Das Beispiel zeigt: Die Unternehmensnachfolge ist eine hochsensible Angelegenheit, mit der sich Unternehmer schon sehr früh beschäftigen sollten.

Wie unterstützt die VR-Bank Unternehmer beim Thema Nachfolge?
Unternehmensnachfolge ist für uns Teil einer umfassenden Beratung von Unternehmern. Wir möchten die Motive und Hintergründe für eine Übergabe gemeinsam im Gespräch verstehen. Dabei fragen wir auch, mit welchen Ideen sich ein Unternehmer im Hinblick auf die Nachfolge schon beschäftigt hat und warum er diese wieder verworfen hat. Warum zum Beispiel der Sohn oder die Tochter das Familienunternehmen nicht übernehmen will und in welchem Rahmen das doch gelingen kann. Wir verstehen uns dabei als Sparringspartner. Viele Unternehmen haben Scheu, mit ihrer Bank über das Thema Nachfolge zu sprechen. Sie sehen es als Schwäche an, wenn sie über ihre Ruhestandspläne reden und befürchten einen negativen Einfluss auf ihr Bonitätsrating. Diese Sorge können und wollen wir unseren Kunden nehmen. Wer sich rechtzeitig um die Nachfolge kümmert, übernimmt Verantwortung für seine Mitarbeiter und das Unternehmen.

Wie stellt sich die VR-Bank auf das wachsende Interesse an einer Unternehmensnachfolge ein?
Angesichts des steigenden Bedarfs haben wir uns personell verstärkt und erweitern unsere Kompetenzen im Bereich der Nachfolgeberatung. Wir beraten kleine Handwerksunternehmen bis hin zum international tätigen Mittelständler. Dabei nutzen wir auch das Netzwerk der Volks- und Raiffeisenbanken. Zum Beispiel die VR-Nachfolgeberatung, die sich auf das Thema spezialisiert hat und bundesweit nach geeigneten Nachfolgern sucht. Wir streben eine individuell passende Lösung an. Als Volks- und Raiffeisenbank sind wir der Region verbunden. Für uns steht bei der Suche nach einem Nachfolger auch immer im Vordergrund, Arbeitsplätze und Kaufkraft in der Region zu halten.