"Bankkunden müssen beim Sparen neue Wege gehen"

Negativzinsen: Ein vermeidbares Phänomen?

28.11.2019

Westmünsterland. Deutschland war und ist ein Land der Sparer. Mehr als zwei Billionen Euro haben sie hierzulande auf Spar- und Tagesgeldkonten geparkt, obwohl sie dafür schon seit Jahren praktisch keine Zinsen mehr erhalten. Warum sich die Sparer auf die neue Situation einstellen müssen, erklärt Dr. Wolfgang Baecker, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Westmünsterland, im Interview mit der "Genossenschaftliche Allgemeine".

Herr Dr. Baecker, warum sind die Zinsen schon seit Jahren so niedrig wie nie zuvor?

Die Europäische Zentralbank (EZB) gestaltet die Geldpolitik für die 19 Länder des Euroraums. Ihre Aufgabe ist es, ein stabiles Wachstum der Wirtschaft in den Euroländern zu ermöglichen
und zugleich für stabile Preise zu sorgen. Dazu beeinflusst sie die Menge an Geld, die den  Banken und letztendlich auch den Unternehmen und Privathaushalten zur Verfügung steht. Die aktuell lockere Geldpolitik der EZB – niedriger Leitzins, niedriger Einlagezins und Wiederaufnahme der Anleihekäufe – beeinflusst mittelbar den Zinssatz, den die Banken ihren Kunden zahlen können.  

Dr.Wolfgang Baecker, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Westmünsterland eG
Dr.Wolfgang Baecker, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Westmünsterland eG

Warum hält die EZB denn an den niedrigen Zinsen fest?

Die EZB möchte mit der lockeren Geldpolitik die Konjunktur ankurbeln. Nach der Finanzkrise von 2008 hat die EZB diesen Kurs eingeschlagen, um den Ländern aus der wirtschaftlichen Krise zu helfen. Billiges Geld führt zu mehr Ausgaben der Verbraucher, insbesondere zu Investitionen der Unternehmen. Die höhere Nachfrage führt dann zur Erhöhung der Preise. Diese Teuerung ist von den Notenbanken zur Wahrung der Preisstabilität gewünscht. Sie setzt daher durch ihre Politik positive Impulse für das Wirtschaftswachstum in den Euroländern.

Ist dies der Grund für die Negativzinsen auf Spar- und Anlageprodukte?

Minuszinsen sind schlecht für Sparer, aber auch für das traditionelle Bankgeschäft. Das Problem ist: Haben die Banken mehr Einlagen als sie Kredite vergeben, legen sie das Geld bei der EZB an und müssen hierfür aktuell einen Strafzins zahlen, der im Moment minus 0,5 Prozent beträgt. Dadurch entstehen den Banken nicht unbedeutende Verluste.  

Und wie sieht es bei den Sparern aus?

Es gibt Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern zählen diejenigen, die Kredite und Schulden haben. Dazu gehören auch die Staaten, Länder und Kommunen, die meist hoch verschuldet sind. Sie zahlen kaum oder keine Zinsen. Demgegenüber sind die Sparer die Verlierer der Geldpolitik der EZB. Früher gab es positive Zinsen auf die Einlagen und durch den Zinseszinseffekt vermehrten sich die Spareinlagen im Laufe der Jahre deutlich. Nun liegen die Einlagenzinsen meistens nahe Null, allgemein erwartet man sogar in bestimmten Fällen negative Zinsen. Der Kunde muss sich umstellen, wenn er sein Vermögen vermehren möchte. Die Mini- bzw. Nullzinsen werden uns auf absehbare Zeit erhalten bleiben. Wer das Zinstief ohne Blessuren überstehen möchte, kann es nicht einfach aussitzen.

Die Banken zahlen Negativzinsen für ihre Einlagen bei der EZB. Es ist doch nicht in ihrem Interesse, diese Zinsen an die Kunden weiterzugeben?

Nein, das ist ganz und gar nicht das Interesse der Banken. Deswegen haben ja Banken bislang trotz der Minuszinsen Privatkunden vor Negativzinsen bei ihren Spareinlagen bewahrt. Doch das dürfte sich ändern. Denn es ist für die Banken betriebswirtschaftlich schwierig, die Konditionen aufrecht zu erhalten. So steigt natürlich dann der Frust: Einerseits bei den Sparern, die immer schlechtere Konditionen bekommen, andererseits bei den Banken, die keine ausreichenden Erträge mehr erwirtschaften können. Wir sprechen mit unseren Kunden über Alternativen zu klassischen Spareinlagen. Es ist unsere satzungsmäßige Pflicht, Mitglieder und Kunden umfassend zu beraten.

Welche Alternative haben Sparer für ihre Geldanlage?

Anleger müssen umdenken, ihr Vermögen streuen und in andere Renditequellen wie Aktien, Immobilien, ausgewählte Anleihen oder auch Gold investieren. Guter Rat ist dabei wichtig.  Wir raten daher allen Bankkunden, das Gespräch mit ihrem Berater zu suchen. Viele unserer Kunden nehmen dieses Angebot bereits in Anspruch und investieren breit gestreut in unterschiedliche Anlageklassen. Auch in einem Umfeld mit Niedrigzinsen und Negativzinsen
kann man erfolgreich für das Alter vorsorgen.

Was halten Sie von dem Vorschlag namhafter Politiker, Negativzinsen für Sparer gesetzlich zu verbieten?

Ich bin dabei, wenn man der EZB ebenfalls verbietet, von den Banken Negativzinsen zu fordern. Ansonsten wären die Banken dauerhaft in ihrer Existenz bedroht. Das traditionelle Sparbuch bleibt im Übrigen für Kleinsparer von Negativzinsen verschont – jedenfalls bei der VR-Bank Westmünsterland.